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Aktuelles

Aufsätze - Satanismus und Ritueller Mißbrauch
Aktuelle Entwicklungen und Konsequenzen für die Jugendhilfe
Ingolf Christiansen



zurückTeil 2weiter

1. Einleitung

Die erste Feststellung, die wir für den Bereich Satanismus treffen müssen, ist die, daß es "den Satanismus" gar nicht gibt! Satanismus ist von seiner "Philosophie", Weltanschauung und Ritual-Praxis her beurteilt kein monolithischer Block, denn es gibt nicht nur eine, sondern vielzählige Vorstellungen und Seinsarten. Die unterschiedlichsten Traditionen von alt-ägyptischen Mythologien über Kelten, Wicca-Kulte, Gnostischen Vorstellungen bis hin zu westafrikanischen und haitianischen Voodoo-Praktiken oder Rituale der kubanischen Santeria werden im Satanismus der Neuzeit und Moderne ("Neo"-Satanismus) gemischt und praktiziert. Diese Art von Synkretismus erschwert eine korrekte Definition des Satanismus. Am ehesten gelingt eine Kategorisierung, wenn wir die unterschiedlichen satanistischen Strömungen auf ihre phänomenologischen Seiten hin untersuchen. An dieser Stelle sei der Hinweis angebracht, daß es unzählige Versuche gab und gibt das weite Feld des Satanismus mit allen seinen "Spielarten" in einen definitorischen Zusammenhang zu stellen. Welche Kategorisierung gewählt wird, hängt entscheidend von der persönlichen oder beruflichen Betroffenheit und Herangehensweise der Autoren und Experten in dieser Frage ab. Berater und Therapeuten, die sich überwiegend mit Rituellem Mißbrauch im Satanismus beschäftigen, werden eine andere, für ihre Arbeit brauchbare Klassifizierung satanistischer Gruppen und Organisationen suchen als z.B. kirchliche Weltanschauungsbeauftragte, die sich neben der Seelsorge-Praxis auch mit der Phänomenologie unter Einbindung religionsgeschichtlicher und systematisch-theologischer Fragestellungen zu beschäftigen haben.

Zweitens muß eine fast als Paradoxie anmutende Prämisse im Satanismus zur Kenntnis genommen werden, nämlich, daß im Glaubenssystem und in der Ritualpraxis nicht die Figur oder Person des Satan, Teufel, Luzifer im Vordergrund steht. Im Mittelpunkt des Interesses an Satanismus und als primäres Ziel der Ritualpraxis steht vielmehr die "Selbstvergottung" des Menschen. Der Mensch ist das Maß aller Dinge!

Die Erkenntnis der eigenen Göttlichkeit soll mit Hilfe von Ritualsystemen, die das orgiastisch-libidinöse Ausleben des menschlichen Urtriebes - der Sexualität - zum Inhalt und Gegenstand (z.B. in der rituellen Sexualmagie) machen, vorangetrieben werden.

Drittens bleibt festzuhalten, daß der "Satanismus" mit seinen Glaubens- und Weltdeutungssystemen, sowie seiner Ritualpraxis Menschen die Möglichkeit verschafft, mit ihren Mangelerfahrungen in einer gesellschaftlich nicht tragbaren und häufig kriminellen Art und Weise umzugehen. Das Gefühl über Rituale Power, Macht über Menschen und anderen Kreaturen zu bekommen, latent vorhandene Wut auszuleben, Naturgesetze zu seinem Vorteil verändern zu können stellt für manchen ichschwachen Menschen einen Grund dar, sich dem Satanismus zuzuwenden. Immer wieder begegnen mir in Gesprächen mit satanismusinvolvierten Personen ihre starken "Minderwertigkeitskomplexe" und der Glaube, diese durch Ritualpraxis in eine "Ichaufwertung" umzuwandeln. Ein Berufsschüler erzählte mir, daß er als Außenseiter in der Klasse, von den Mitschülern physisch und psychisch drangsaliert, ab dem Zeitpunkt in Ruhe gelassen wurde, als er vom äußeren Habitus sich als einen "magisch Praktizierenden" zu erkennen gab. Der junge Mann war nicht integrierter im Klassenverband, aber er bekam keine Schläge mehr und war dementsprechend von dem Funktionieren seiner Ritualpraxis felsenfest überzeugt. Der Trugschluß von der "Ichaufwertung durch Ritualpraxis" und die Erfahrung von ritueller Gewalt im Alltag satanistischer Praxis ist meines Erachtens mit dafür verantwortlich, daß bei einem Teil der Involvierten in einem nicht unerheblichen Maße psychopathologische Auffälligkeiten (angstneurotische und psychotische Zustände, MPS etc.) festzustellen sind. Dabei wird die Frage offenbleiben müssen, ob die Ritualpraxis Anlaß und Auslöser oder ob eine vorhandene Disposition der Involvierten für den psychopathologischen Befund auschlaggebend sind.

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