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Aufsätze - The Child Sexual Abuse Accomodation Syndrome
Roland Summit
Übersetzung durch Birgitta Rennefeld



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2. "HILFLOSIGKEIT" (HELPLESSNESS)

Das Kind fühlt sich durch die inhärente Autorität des Erwachsenen, dem sie vertraut, verpflichtet und überwältigt, selbst wenn körperliche Gewalt oder Drohungen ausbleiben. Die Ohnmacht wird durch die Empfindung von Isolation, Heimlichkeit und Schuld verstärkt, genauso wie durch die Unfähigkeit des Kindes, den Sinn des Verhaltens des Vaters zu verstehen oder einen akzeptablen Weg zu finden, die bizarre Beziehung anderen zu beschreiben.

Die Hilflosigkeit kommt häufig in einer Ruhig-Stellung zum Ausdruck. Wenn ein junges Mädchen im Schlaf belästigt wird, wird sie sich typischerweise "schlafend stellen" ("play possum"). Sie wird nicht schreien, auch wenn ihre Mutter möglicherweise im anliegenden Raum ist. Ein Geschwisterkind im gleichen Bett kann ebenso vortäuschen zu schlafen, aus Angst, mit hineingezogen zu werden.

Die natürliche Unfähigkeit zu schreien oder sich selbst zu beschützen, stellt den Kernpunkt des Mißverständnisses zwischen dem Opfer und der Erwachsenengemeinschaft dar, genauso wie den Nistplatz für spätere Repressalien, die das Kind gegen sich richtet. Nahezu keine erwachsenen Person scheint gewillt zu glauben, daß ein legitimes Opfer sich still verhalten würde. Es wird von ihr erwartet, daß sie mit Tritten oder Schreien reagiert. Für Anwälte, die den Täter vertreten, ist es ein leichtes, die "Child Victim-Witness" zu demütigen und zu verwirren und die Geschworenen mit Forderungen nach einem "normalen" Protest zu vereinnahmen. ExpertInnengutachten zu diesem Sachverhalt sind sowohl für die Rechtfertigung der Glaubwürdigkeit des Kindes entscheidend, als auch eine Hilfe, um einer anhaltenden Selbstverdammung vorzubeugen. Mit Wiederholung der Zudringlichkeiten kann das belästigte Kind vor Angst nachts lange wach liegen. Dennoch wird sie sich bei Annäherungen bewegungslos verhalten, in dem kläglichen Versuch, sich selbst zu schützen, so wie sie es gelernt hat, sich unter der Decke vor imaginären Monstern zu verstecken.

Die Verletzung des sichersten Zufluchtsortes einer Person überwältigt eine normale Verteidigungshaltung und führt zu Desillusionierung, schwerster Verunsicherung und zu einem Prozeß der Viktimisierung. Gesellschaftlich etablierte Erwachsene berichten nach einer Vergewaltigung oder selbst nach einem Raubüberfall in ihren Schlafzimmern von bleibendem Entsetzen und dem Verlust des basalen Wohlergehens. Kinder, die bestenfalls einige wenige Verteidigungsmöglichkeiten haben, sind gegenüber dem Eindringen in ihr Bett weitaus verletzlicher als Erwachsene. Schließlich muß daran gedacht werden, dass ein normales Kind keine wirkliche Macht oder Stimme hat, abgesehen von der, die sie durch ihre Eltern erhält. Es handelt sich hier nicht um ältere Kinder oder Jugendliche mit gewichtiger Unterstützung durch Institutionen oder Peergruppen. Wie kann eine Drittklässlerin irgendwas außer Hilflosigkeit fühlen, wenn sie mit ihrem sexuell insistierenden Vater oder Stiefvater konfrontiert ist. Und wie kann solch ein kleines Kind sich selbst die Schuld dafür geben, daß sie seine Aufmerksamkeit herausgefordert hat oder für ihr Versagen, seine Absichten nicht wirksam beendet zu haben. Bei einem achtjährigen Kind (oder drei- oder fünf- oder elf-, wie der Fall auch immer sein mag) ist die Selbstanklage dem Akkomodationsprozeß immanent, wenn nicht ihre Mutter oder eine andere Bezugsperson ihr die Kraft geben kann, die sexuelle Verstrickung zu lösen.

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