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Aufsätze - Destruktive Kulte und rituelle Mißhandlung
Michaela Huber



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Zwei Aspekte sind wichtig:

  1. Eine Geschichte extremer, überwältigender und nicht zu bewältigender Mißhandlungen bei der/dem Überlebenden, die häufig zunächst tief im Persönlichkeitssystem verborgen wird und der dissoziativen Amnesie unterliegt; viele Opfer spalten ihre Persönlichkeit aufgrund der Mißhandlungen auf und entwickeln eine dissoziative Identitätsstörung (multiple Persönlichkeit).
  2. Die Mißhandlungen fanden in einem Kontext statt, in dem sie als wesentlicher Bestandteil der religiösen Überzeugungen des oder der Täter gerechtfertigt wurden.
Rituelle Mißhandlungen stellen das äußerste Ende des Spektrums an emotionaler, sexueller und körperlicher Mißhandlung dar. Sakheim & Devine sprechen sich dafür aus, Unterschiede je nach Schweregrad der (rit.) Mißhandlung und des Kontexts der rit. Mißhandlung zu machen. Zufälliger, gelegentlicher, bewußter, sanktionierter und religiös motivierte rit. Mißhandlung haben demnach je unterschiedliche Auswirkungen. "Rituelle Mißhandlung" stellt die schwerste Form von Mißhandlung dar, insbesondere in Form wiederholter Traumatisierungen - wie es meist der Fall ist. Der Kontext ließe sich dann z.B. so beschreiben: Die Klientin wurde rituell mißhandelt
  • bei einer Zeremonie eines Satanskults,
  • von einem multidimensionalen Kinderprostitutionsring;
  • von einem psychotischen Verwandten;
  • etc,
Es empfiehlt sich, den Schilderungen der KlientInnen gegenüber sowohl wissenschaftlich-skeptisch als auch therapeutisch-empathisch zu begegnen. Sowohl die Hysterie der Überreaktion zu vermeiden, als auch die Verleugnungsmechanismen, die unweigerlich ausgelöst werden, wenn wir mit solch entsetzlichem Erinnerungsmaterial konfrontiert werden. Sakheim & Devine erinnern daran, daß wir trotz der langen Evolutionsgeschichte zwischenmenschlicher Gewalt und trotz unseres psychologischen Verständnisses der posttraumatischen Streßreaktion dazu neigen, den meisten Opfern nicht zu glauben; ähnlich wie wir es noch vor Jahren vorzogen, den Schilderungen sexueller Mißhandlungen in der Familie keinen Glauben zu schenken. Denn dieses Wissen schmerzt, insbesondere, wenn es darum geht, Überlebende willkürlich ausgeübter sadistischer Folterungen zu begleiten.

Andererseits heißt das nicht, wir sollten jedes Wort der KlientIn für bare Münze nehmen. Denn:

Die Wahrnehmungen eines Menschen, insbesondere eines kleinen Kindes, das gefoltert, verwirrt, unter Drogen gesetzt und terrorisiert wird, werden verzerrt.

Dies ist besonders dann der Fall, wenn eine Überlebende sich Jahrzehnte nach dem Ereignis zum ersten Mal daran zu erinnern versucht.

Die Rolle der TherapeutIn besteht vor allem darin, ggf. festzustellen, daß die posttraumatischen Streßreaktionen der Klientin auf eine Lebensgeschichte verweisen, die exploriert werden sollte, wobei die TherapeutIn die Klientin begleitet. Sie sollte sich auf keine der beiden in der Klientin zwangsläufig vorhandenen Seiten ziehen lassen - weder auf die Seite des "Es muß so und nicht anders gewesen sein", noch auf die des "Das habe ich mir nur ausgedacht". Denn es wird allein die Klientin sein, die zwischen Zweifel und Unsicherheit auf der einen und dem Wahrheitsempfinden auf der anderen Seite sortiert und sich jeweils dafür entscheidet, was sie für wahr hält - wobei dies sich mit der Zeit auch mehrfach ändern kann.

Alle Verbrechen, von denen im Zusammenhang mit ritueller Mißhandlung berichtet wird (Kindesmißhandlung, Folter, Infantizid, Kannibalismus, Kinderpornografie, Drogenmißbrauch, Grausamkeiten gegenüber Tieren, Mord) gibt es, wir wissen das. Dennoch ist es vermutlich die Kombination all dieser Untaten, die es den HelferInnen so schwer machen, den KlientInnen Glauben zu schenken. Am besten - so Sakheim & Devine - ist es, wenn TherapeutInnen sich dem Akzeptanzbereich der Skeptizismusskala nähern, sobald sie aus der Phase der Anamnese heraus sind und offensichtliche Lügen sowie eindeutig wahnhafte Störungsformen ausschließen konnten. In der Behandlungsphase ist es wichtig, empathisch zu sein, um die Erfahrungen der Klientin verstehen und ihr bei der Durcharbeitung der mit diesen Erinnerungen verbundenen Gefühle behilflich sein zu können. Selbstverständlich muß die TherapeutIn sorgfältig darauf achten, nicht eine Art von Erinnerungen mehr zu betonen als andere, doch für den Fortschritt der Therapie ist die Genauigkeit der Erinnerung weniger von Bedeutung als ihr emotionaler Gehalt. Erfahrungsgemäß ist die Frage, inwieweit die Erinnerungen zutreffend sind, für die Klientin von weit größerem Interesse als für die TherapeutIn, so daß die Klientin von sich aus nach "Beweisen" für die an ihr begangenen Taten suchen wird.

Eine Geschichte religiöser Begründungen für antisoziales Verhalten

Die Gestalt Satans ist uralt. Im Tal des Indus fand man eine im Jahre 3000 vor Christus hergestellte Figurine; sie stellte einen Mann mit Ziegenkopf dar, der mit übereinander gekreuzten Beinen sitzt und von Tieren umgeben ist, die ihn anbeten. Ritualisierter Sex als Fruchtbarkeitsritus und Kindsopfer waren in der frühen semitischen wie in vielen anderen Religionen häufige Praktiken.

Doch es blieb dem Christentum vorbehalten, die Dualität zum zentralen Thema zu machen: Hier das Gute, dort das Böse. Hier Gott, dort Satan. Die Guten kämpfen gegen das Böse und umgekehrt, so wie Gott und Satan sich ewig bekämpfen. Das Schicksal der Menschheit wie der einzelnen Menschen entscheidet sich danach, wie gut sie waren zu Lebzeiten: Himmel oder Hölle.

Es gibt zwei grundlegende Elemente des Satanismus:
  • die Vorstellung der Welt als letztlich von bösen oder feindseligen Kräften kontrolliert (die Hölle auf Erden); und
  • die Figur des Magiers als Helden, der diese feindseligen Kräfte kontrollieren kann.
Seit der Spätantike fällt auf: Immer wenn eine (Volks-)Gruppe sich für zum Untergang verdammt hielt oder wenn sie sich bewußt antisozial verhielt und eine Art religiöser Rechtfertigung bedurfte, entwickelte sie eine Faszination für eine Art "auf den Kopf gestellte" offizielle Religion und für Schwarze Magie. Seit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich in solchen Gruppen die Überzeugung, es sei wünschenswert und möglich, die Macht Satans nicht nur anzubeten und sie um Hilfe zu bitten, sondern sie auch zu manipulieren und zu eigenen Zwecken zu nutzen. Judith Spencer beschreibt in ihrem Buch "Jenny" die Innenansicht eines satanischen Kults, aus der Sicht eines ihrer weiblichen Opfer. Die Kultideologie wird so zitiert:

"Die Bösen können nicht in den Himmel. Wer böse ist, kommt in die Hölle, ein von Satan regiertes Flammenmeer. Diejenigen, die Satan dienen, werden in die Hölle kommen, doch nicht verbrennen."

Wer sich selbst als "verdammt" oder "dem Untergang geweiht" ansieht, ist anfällig für das Gedankengut satanischer Kulte. In heutigen Zeiten sind dies "Underdogs" und "Dropouts" sowie die Anhänger jeglicher Gegenkultur, seien es Faschisten oder New Age-Jünger. Sie sind bereit, eine große Portion Quälereien und Demütigungen hinzunehmen, um "ihr eigener Gott" werden zu können, wie dies die Satanisten seit Crowleys (Order of The Golden Dawn; Ordo Templis Orientis und Ableger) Zeiten versprechen: "Tu was du willst, ist das (einzige) Gesetz." Das Gesetz der Täter ritueller Mißhandlungen, die - zumindest in abgeschwächter Form und vorübergehend, im Gegensatz zu den endgültig "Geopferten" - auch Opfer sind.

Und auch die Täter, die sich dafür entscheiden, "bewußt böse" zu sein - z.B. eine sadistische, antisoziale Persönlichkeitsstruktur haben bzw. sich "bewußt bösen" Kreisen anschließen (organisiertes Verbrechen, Kinderpornografieringe etc.) - zieht es zur satanistischen "Religion", die immer a fond faschistisch ist und eine erhebliche Affinität zu alt- und neofaschistischen Gruppierungen hat (ebenso wie umgekehrt).

In ihrer Ideologie greifen Satanisten auf Gedanken zurück wie den Darwinismus (survival of the fittest - das Überleben der Geeignetsten), Nietzsches Theorie vom "übermenschen" und seinem "Willen zur Macht" sowie auf faschistisches Gedankengut.

Hinzu kommen seit Mitte des 19. Jahrhunderts, beginnend in den USA, okkultistische und geheimbündlerische (z.B. Freimaurer-) Philosophien und Anleihen beim Hinduismus (Karma) sowie die Anwendung von Hypnose bei Ritualen und zur Indoktrinierung.

Schwarze und weiße (Wicca-)Magie als Mittel zur Bewußtseinserweiterung, unter Zuhilfenahme von Drogen, wurde propagiert. Einer von Crowleys Schülern, Jack Parsons, versuchte Ende der 40er Jahre zusammen mit Ron Hubbard - später der Gründer von Scientology, ein "moon child" zu schaffen - ein Dämonenkind mit magischen Kräften. In der Jugendkultur seit den 60er Jahren wurde Satanismus populär als "Ästhetik des Terrors". Bands wie die Rolling Stones (Sympathy for the Devil), die Doors, Alice Cooper, Kiss, und insgesamt die Faszination der Heavy metal- und Punk-sowie New Wave-Szene, besonders in den 80er Jahren, für den Satanismus ließen destruktive Kulte für die Gegenkultur akzeptabel erscheinen. Anton LaVeys in den 60er Jahren verfaßte "Satanische Bibel" machte die Runde, viele interessierten sich für seine "Church of Satan" (die auch in Deutschland Ableger hat); gleichzeitig stieg die Faszination für faschistisches Gedankengut (Bücher wie "The Occult Reich" oder "Hitler: The Occult Messiah" wurden Bestseller). Ebenfalls m gleichen Zeitraum veränderte sich die gesellschaftliche Akzeptanz nicht nur von Softporno, sondern auch von Kinderpornografie, Sadomasochismus, Horror- bis hin zu Snuff-Filmen.

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